Stellungnahme zum Koalitionsvertrag: Ansätze – wichtige Lücken bleiben
Eckiger Tisch begrüßt die im Koalitionsvertrag angekündigte weitere Förderung des Fonds sexueller Missbrauch (FSM) sowie des Ergänzenden Hilfesystems (EHS). Diese Strukturen sind essenzielle Bausteine, um Betroffenen niedrigschwellig Unterstützung bei der Bewältigung
der Folgen sexualisierter Gewalt zu ermöglichen.
An dieser Stelle muss jedoch deutlich werden: Das EHS ist kein Ersatz für Schmerzensgeld, da das EHS ausschließlich Sachleistungen zur Bewältigung der Folgen des Missbrauchs genehmigt. Daher fehlt nach wie vor ein eigenständiges, staatlich getragenes System zur Zahlung von Schmerzensgeld, das dem Leid, welches Betroffene erlitten haben, gerecht wird. Für eine gerechte Entschädigung fordern wir daher ein System, analog zum EHS, welches unbürokratisch, unabhängig und wirksam ist.
Darüber hinaus begrüßet Eckiger Tisch, dass der Koalitionsvertrag an die Pflicht zur Aufarbeitung für Institutionen erinnert und diese festschreibt. Um eine gute Aufarbeitung zu ermöglichen, muss diese aber unabhängig von den betroffenen Institutionen erfolgen – insbesondere im Kontext der katholischen Kirche. Der Staat muss hier eine aktive Rolle übernehmen, um die Rechte der Betroffenen durchsetzen und damit eine unabhängige Aufarbeitung gelingen kann.
Als Betroffeneninitiative betrachten wir es kritisch, dass die Förderung von Selbstorganisation und Selbsthilfe Betroffener im Koalitionsvertrag nicht thematisiert wird. Dabei ist es entscheidend, dass Betroffene nicht nur passiv unterstützt, sondern aktiv beteiligt werden – in der Aufarbeitung, bei Beratungs- und Hilfsangeboten und in politischen Entscheidungsprozessen. Es ist wichtig, dass die Situation von Betroffenen sexuellen Kindesmissbrauchs im Kontext der katholischen Kirche verbessert wird und ihre Rechte gestärkt werden. In Anbetracht der Erfahrungen der zurückliegenden fünfzehn Jahre, seit Bekanntwerden des sogenannten Missbrauchsskandals, ist notwendig, dass sich Politik und Staat bei der Wiederherstellung des sozialen Friedens deutlich stärker einbringen. Der Koalitionsvertrag bietet damit einen Schritt in die richtige Richtung, aber zentrale Forderungen bleiben weiterhin offen.
Daher fordern wir weiterhin:
- die Entschädigung für Betroffene durch ein Hilfesystem, welches Schmerzensgeld unabhängig von dem guten Willen der Institution ermöglicht
- eine gesetzlich verankerte, unabhängige Aufarbeitung
- die Unterstützung für Betroffene und die Stärkung ihrer Selbstorganisation