Seit 2010 fordert der ECKIGE TISCH von der katholischen Kirche eine angemessene Entschädigung für die Versäumnisse und das aktive Versagen beim Schutz der ihr anvertrauten Kinder vor sexueller Gewalt durch ihre Priester.
Wir nennen den Umgang der Kirche mit ihr bekanntgewordenen Verbrechen des Kindesmissbrauchs „das zweite Verbrechen“. Dieses Verbrechen wurde von der Institution oft fahrlässig, aber auch vorsätzlich an den Opfern sexueller Gewalt begangen: Die Opfer wurden im Schweigen gehalten, die Täter geschützt. Die weltweite und systematische Politik der Verheimlichung und des Versetzens gab den Tätern die Gelegenheit zu neuen Verbrechen an Kindern und Jugendlichen. Die systematischen Ursachen in Lehre und Disziplin der Kirche wurden und werden geleugnet, zum Teil bis heute. Die Betroffenen, die sich zu Wort melden werden, werden beschämt, ihre Forderungen abgewehrt und relativiert.
Nach dem „Runden Tisch“ 2011 wurde den Betroffenen ein Betrag von bis zu 5.000 Euro als „freiwillige Leistung in Anerkennung des Leids“ angeboten − auf Antrag. Dieser neu geschaffene Begriff der „Anerkennung des Leids“ sollte die institutionelle Verantwortung verdecken. Ein echtes Entschädigungsangebot hätte die Anerkennung der Verantwortung durch die Kirche bedeutet. Dieser Verantwortung verweigert sich die Kirche bis heute.
Nach der Veröffentlichung der MHG-Studie 2018 begann ein neuer Anlauf, zu einer wirklichen Entschädigung zu kommen. Eine Arbeitsgruppe aus 30 Expert:innen − darunter Betroffene − tagte auf Einladung des Missbrauchsbeauftragten der Deutschen Bischofskonferenz in mehreren Workshops und erarbeitete Empfehlungen zum Verfahren und zu den möglichen Summen.
Schließlich legten drei Delegierte dieser Arbeitsgruppe diese Empfehlungen den im Herbst 2019 in Fulda versammelten Bischöfen vor.
Im Anschluss an diese Präsentation endete jeder Kontakt zwischen der Arbeitsgruppe und der DBK. Offenbar war der Kirche die Entschädigung ihrer Opfer zu teuer. Stattdessen entschieden sich die Bischöfe zu einer veränderten Form des seit 2011 bestehenden Verfahrens der Zuerkennung von „Leistungen in Anerkennung des Leids“. Eine Entschädigung lehnt die Kirche bis heute ab.
Trotz aller „Erschütterung“ über die seit 2010 aufgedeckten zahllosen Fälle von Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch Priester und obwohl weitere Studien und Gutachten das systemische Versagen, die systematische Vertuschung und den organisierten Täterschutz von Seiten der Bischöfe und Verantwortungsträger wiederholt bestätigt haben, ist die Kirche bis heute zur echten Verantwortungsübernahme nicht bereit. Darum aber geht es: Die Verantwortung für das in den Biografien der Opfer angerichteten Schaden.
Die aktuell angebotenen Leistungen „von bis zu 50.000 Euro“ bleiben so willkürlich und unzureichend wie zuvor. In der großen Mehrzahl der Anträge zeichnet sich ab, dass auch weiterhin nur symbolische Zahlungen angeboten werden. Eine nachvollziehbare Auswertung der zuerkannten Leistungen gibt es nicht. Die Kriterien der Zumessung bleiben im Dunkeln. Das Verfahren der Beantragung ist weiterhin durch Intransparenz gekennzeichnet.
Eine Entschädigungszahlung hat neben der materiellen immer auch eine immaterielle Wirkung. Neben der Summe kommt daher dem Verfahren eine große Bedeutung zu. Deshalb fordern wir von der katholischen Kirche in Deutschland, den Laien ebenso wie den Bischöfen und Ordensangehörigen weiterhin:
- Beteiligung von Betroffenen und ihrer Initiativen bei der Erarbeitung einer Entschädigungslösung auf der Grundlage der Empfehlungen von 2019
- Transparenz im Verfahren, insbesondere pauschalisierte Leistungen nach einem klar kommunizierten Kriterienkatalog
- Und in Gottes Namen: Großzügigkeit statt kleinkarierter Abwehr.
Die Opfer haben lange genug gewartet!
Weiterführend Links:
Themenseite #EntschädigungJetzt
Argumentationspapier
Einschätzung von Prof. Stephan Rixen
Empfehlungen der Arbeitsgruppe im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz von 2019