Beschuldigter Kardinal nimmt offenbar an Treffen vor dem Konklave teil
Nach dem Tod von Papst Franziskus im April 2025 ist die katholische Kirche in einer Phase des Umbruchs. Kardinäle aus aller Welt sind nach Rom gereist, um sich in sogenannten „Generalkongregationen“ auf das kommende Konklave zur Wahl eines neuen Papstes vorzubereiten. Diese Treffen finden traditionell unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt – sie sind jedoch von zentraler Bedeutung für die zukünftige Ausrichtung der Kirche. Die Organisation berichtet nun darüber, dass an diesen hochrangigen Beratungen offenbar auch ein Kardinal teilnimmt, der bereits vor Jahren wegen Vorwürfen des sexuellen Missbrauch durch den Papst selbst sanktioniert wurde.
Wie das Nachrichtenportal Crux berichtet, wurde Kardinal Luis Cipriani Thorne, ehemaliger Erzbischof von Lima (Peru), am Rande einer Generalkongregation in Rom gesehen – in der typischen Kleidung eines Kardinals. Dies ist eine offenkundige Verletzung der Sanktionen, die Papst Franziskus bereits 2019 gegen Cipriani verhängt hatte. Dem Kardinal war damals vorgeworfen worden, einen Minderjährigen sexuell missbraucht zu haben. Der Vatikan hatte diese Sanktionen im Januar 2025 öffentlich bestätigt und ihre Gültigkeit ausdrücklich betont. Dass Cipriani dennoch an internen Kardinalstreffen teilnehmen kann, wirft drängende Fragen zur Umsetzung kirchlicher Maßnahmen und zur Ernsthaftigkeit der Missbrauchsaufarbeitung auf.
Anne Barrett Doyle, Co-Direktorin der Organisation BishopAccountability.org, äußerte sich deutlich zu diesem Vorgang: „Die Teilnahme eines glaubhaft beschuldigten Kardinals an so entscheidenden Treffen stellt einen Verrat an den Opfern dar – und untergräbt jede Aussage, die Kirche wolle sexuellen Missbrauch ernsthaft bekämpfen.“
Tatsächlich hatten die Kardinäle laut Vatikan-Sprecher Matteo Bruni bei ihrem Treffen selbst erklärt, der Kampf gegen sexuellen Missbrauch müsse eine Priorität für den nächsten Papst sein. Die gleichzeitige Duldung von Kardinälen wie Cipriani oder – wenige Tage zuvor – Roger Mahony, der 2013 wegen nachweislicher Vertuschung zahlreicher Missbrauchsfälle in Los Angeles öffentlich in die Kritik geraten war, entwertet diese Worte in den Augen vieler Betroffener.
Während Betroffene weltweit seit Jahren für Aufarbeitung und Gerechtigkeit kämpfen, sendet die Anwesenheit eines mutmaßlichen Täters bei der Vorbereitung eines neuen Pontifikats eine klare Nachricht: Noch immer werden nicht die Opfer, sondern die Täter geschützt.
Die Forderung von BishopAccountability ist daher eindeutig: Kardinäle, denen glaubhafte Vorwürfe sexuellen Missbrauchs oder dessen Vertuschung vorgeworfen werden, dürfen nicht länger an zentralen Entscheidungsprozessen der Kirche beteiligt sein.
Über BishopAccountability.org
Gegründet im Jahr 2003, unterhält BishopAccountability.org das weltweit größte Archiv von Dokumenten zum Problem des sexuellen Missbrauchs durch Kleriker – außerhalb der Archive des Vatikans. Die Organisation betreibt unabhängige Forschung über sexuellen Kindesmissbrauch durch Priester und Ordensleute sowie über das Verhalten von Bischöfen, Ordensoberen und dem Heiligen Stuhl in diesen Fällen.
BishopAccountability.org ist eine unabhängige, gemeinnützige Organisation mit Sitz in Waltham, Massachusetts (USA), und gehört keiner Opfergruppe, Kirche oder Reformbewegung an.
Weiterführende Links:
El País: Bericht zu den Sanktionen gegen Cipriani durch Papst Franziskus (Januar 2025)