Appell an die deutsche Delegation bei der Beerdigungsfeier für Joseph Ratzinger / Benedikt XVI.

Das weltweite Bündnis von Betroffenengruppen Ending Clergy Abuse (ECA) hat die staatlichen Delegationen, die zur Beerdigungsfeier nach Rom gereist sind, aufgefordert, dass sie sich klar auf die Seite der Opfer sexuellen Kindesmissbrauchs stellen. ECKIGER TISCH, der mit seinem langjährigen Sprecher Matthias Katsch zu den Gründern von ECA gehört, hat sich dieser Aufforderung angeschlossen und folgenden Appell an die deutsche Delegation unter Führung des Bundespräsidenten und des Bundeskanzlers veröffentlicht: 

„Lassen Sie sich nicht einspannen für den Versuch, die Geschichte umzuschreiben. Stellen Sie sich an die Seite der Opfer! Statt mit ihrer stillen Anwesenheit die Politik der katholischen Kirche im Hinblick auf Kindesmissbrauch durch ihre Priester zu legitimieren, sollten sie stattdessen drei Dinge tun: 

Verlangen Sie von Papst Franziskus, dass er endlich ein universales Kirchengesetz zur Null-Toleranz im Umgang mit klerikalem Missbrauch erlässt, wie es Betroffene aus aller Welt seit Jahren fordern.  Wer als Priester Kinder missbraucht hat, soll nicht länger Priester sein, wer Missbrauch als Bischof vertuscht hat, soll nicht länger Leitungsaufgaben in der Kirche haben. 

Fordern Sie den Vatikan auf, alle Dokumente und Beweise im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch durch Geistliche den Justizbehörden des jeweiligen Landes zu übermitteln. Eine unabhängige Untersuchung über den Umgang mit Fällen von Kindesmissbrauch durch Verant­wortliche der katholischen Kirche auch in den Archiven des Vatikans muss ermöglicht wer­den. 

Fordern Sie Papst Franziskus auf, seine Bischöfe entgegen der bisherigen Praxis anzuweisen, voll mit den staatlichen Ermittlungsbehörden zu kooperieren, einschließlich denjenigen der Vereinten Nationen. 

Vor allem aber: Treten Sie bitte der Mythenbildung über die Rolle des Verstorbenen in Bezug auf die Aufdeckung von sexuellem Kindesmissbrauch durch Kleriker der katholischen Kirche entgegen. Joseph Ratzinger war persönlich sicher ein freundlicher und bescheidener Mensch. Er hat sich bemüht, seiner Kirche zu dienen, wie er es verstand. Aber: Benedikt XVI. ist der Papst, unter dem der Missbrauchsskandal nicht länger unter der Decke zu halten war − nicht derjenige, der etwa aktiv an der Aufarbeitung mitgewirkt hat.   Es waren Betroffene, die seit den 80er Jahren in den USA, später in Irland, Australien und schließlich 2010 in Deutschland und Mitteleuropa die Aufdeckung vorangetrieben haben – gegen den hinhaltenden Widerstand von Bischöfen und des Vatikans. “