„…und am Ende entscheidet ohnehin der Papst“

Von Matthias Katsch

Die Welt-Bischofssynode der katholischen Kirche, an der erstmals auch Laien und sogar Frauen mitwirken durften, ist zu Ende gegangen.
Das Ergebnis ist nicht nur ernüchternd für alle, die auf Reformen gehofft haben. Die Beschlüsse sind völlig unzureichend wenn es um Gerechtigkeit für die Opfer und den wirksamen Schutz aktueller und künftiger Generationen von Kindern und Jugendlichen geht. Und das ist sehr wichtig bei einer Institution, die für rund 200 Millionen Minderjährigen in der ganzen Welt verantwortlich ist. Auch wenn jetzt an einzelnen Stellen gute Beschreibungen und Analysen des Ist-Zustands im Abschlussdokument zu finden sind, es fehlt die Umsetzung von als notwendig erachteten Veränderungen.

Diese Synode geht zurück auf den Missbrauchsgipfel im Vatikan 2019. Der weltweite Missbrauchsskandal war endlich im Zentrum der Kirche angekommen. Untersuchungsberichte von Australien bis Deutschland hatten Handlungsfelder identifiziert um die Ursachen von Missbrauch durch Kleriker und die Vertuschungskultur der Vorgesetzten anzugehen: die Machtverteilung zwischen Laien und Klerikern, die Haltung zur menschlichen Sexualität, insbesondere auch zur Homosexualität, die mangelnde Präsenz von Frauen in der Leitung der Kirche, der Zölibat, und schließlich die Rolle des Beichtsakraments als Vorwand für Heimlichkeit und Intransparenz sowie als wesentlicher Tatkontext bei Kindern.
Nichts von alledem wurde nachhaltig bearbeitet oder gar verändert durch die Debatten und Beschlüsse der Synode.

Die Betroffenen, die angeblich ins Zentrum der Debatten gehören sollten, kamen praktisch nicht vor oder blieben Staffage. Betroffene werden also weiter an Sichtbarkeit gewinnen müssen, sich weiter vernetzen, auch und gerade weltweit, und gemeinsam mit ihren Verbündeten den Druck auf die Kirche erhöhen müssen: Für die Aufklärung der Verbrechen der Vergangenheit, für Hilfe und Entschädigung der Opfer, und für die Kirche als sicherer Ort für Jungen und Mädchen, Frauen und vulnerable Erwachsene.

Eckiger Tisch hat zusammen mit ECAglobal (Ending Clergy Abuse) zum Abschluss der Synode mit kritischen Presseerklärungen reagiert, die aber angesichts der allgemeinen Begeisterung darüber, dass es überhaupt ein Ergebnis gab, dass mit 2/3 Mehrheit angenommen und vom Papst überraschend sofort in Kraft gesetzt wurde, wenig Beachtung fand. (siehe Pressemitteilung ET und Statement von ECA).

Stattdessen sind nun zwei scheinbar gegensätzliche Interpretationen medial unterwegs. Die einen betonen, dass es ein wichtiger Schritt in die Richtung von Reformen war, dass eine Tür offen geblieben ist, und man hoffnungsvoll für die Zukunft sein darf. Andere sind enttäuscht, weil sie sich mehr erwartet haben. Wieder andere verweisen erleichtert darauf dass es immer noch eine Bischofssynode war und die Entscheidungen in der Kirche auch in Zukunft von den geweihten Männern getroffen werden, auch wenn jetzt mehr Laien und Frauen mitreden dürfen. Und alle zusammen warten auf den nächsten Papst. Denn der hat am Ende weiterhin das letzte Wort.

Natürlich brauchen Veränderungen Zeit. Aber den Preis für die schier endlosen Debatten zahlen die Opfer des Systems. Den Opfern der Gewalt und des Missbrauchs der Vergangenheit bleibt keine Zeit mehr. Sie warten und hoffen schon viel zu lange auf Aufklärung und eine angemessene Entschädigung. Vor allem aber zahlen den Preis die Kinder und Jugendliche, die jetzt aktuell zu Opfern von Übergriffen durch Kleriker werden, oder deren Missbrauch erst kurze Zeit zurück liegt und die mit ihrem Leid alleine gelassen sind.

So geht das ja schon seit Jahrzehnten: Scheinbar ändert sich vieles, und es bleibt doch wie es war. Seit dem Beginn dieses synodalen Prozesses sind auch schon wieder sechs Jahre vergangen. Im Sept 2018 schrieb die New York Times, der Missbrauchskandal sei im Zentrum angekommen und der Papst lud die Bischöfe zu einem Krisengipfel im Februar 2019 nach Rom. Es folgte der vierjährige synodale Prozess und in Deutschland begann der Synodale Weg.

Wir können uns nicht endlos Zeit lassen. Sonst werden weiter Jungen und Mädchen den innerkirchlichen Glasperlenspielen geopfert. So wie wir damlas. Als ich 1976 meinen Tätern am Berliner Canisius Kolleg über den Weg lief, da wurden schon Reformen gefordert, auch das Diakonat der Frauen war ein Thema auf der Würzburger Synode, einem Vorläufer des Synodalen Weges. Dieses ewige Zuwarten darf so nicht weiter gehen.
Deshalb tun sich Aktivisten das immer wieder an, und deshalb bin ich persönlich weder hoffnungsvoll noch enttäuscht sondern wütend.

Und mit dieser Wut im Bauch, die Ausdauer gibt wird ECAGlobal mit Vertretern aus sechs Kontinenten am 18. November 2024 einen eigenen Vorschlag zur Reform des Kirchenrechts vorlegen, bei dem wir erstmals mit kirchlichen Experten zusammengearbeitet haben. Weil die Opfer keine Zeit zu verlieren haben, weil wir für die gefährdeten Kinder und Jugendliche keine Zeit verlieren dürfen!

HINWEIS: Der Bayerische Rundfunk hat versucht Erwartungen und Einschätzungen zu den Ergebnissen der Weltsynode einzufangen. Die sehenswerte Reportage hier in der ARD Mediathek: BR (06.11.2024): STATIONEN Was erwarten Bayerns Katholiken vom Papst?