Bischöfe stehen in der Verantwortung
Gastbeitrag in der Fuldaer Zeitung von Matthias Katsch (in der Ausgabe vom 16.11.2024, S.6)
Seit fast 15 Jahren quält sich der Prozess der Aufklärung des katholischen Missbrauchsskandals dahin. So lange wie dieser von Betroffenen angestoßene Prozess der Aufarbeitung des Versagens von Bischöfen nun schon andauert – die die Täter schützten und nicht die Kinder – so lange warten die Opfer auf eine angemessene Entschädigung.
Gegenüber der Öffentlichkeit wurde 15 Jahre lang der Eindruck erweckt, Klagen wäre teuer und aussichtslos. Stattdessen wurden immer neue Angebote für „Leistungen in Anerkennung des Leids“ gemacht, für die Anträge bei der Kirche zu stellen sind. Die Kirche durfte selbst festlegen, was ihr als angemessen erschien. Die Opfer wurden so hingehalten und letztlich erneut getäuscht. Von rein symbolischen „Anerkennungsleistungen“ in Höhe von wenigen tausend Euro bewegte man sich hin zu Beträgen bis zu 50 000 Euro. Im Schnitt wurden zuletzt etwa 22 000 Euro bescheidet.
Erst 2023 sprach das Landgericht in Köln einem Betroffenen ein Schmerzensgeld von 300 000 Euro zu. Die Richter berücksichtigten, dass Betroffene regelmäßig unter den Folgen des Missbrauchs in ihrer Biografie leiden: persönlich, körperlich und seelisch, aber auch beruflich leben sie mit fortdauernden Beeinträchtigungen.
In der Folge ziehen verstärkt Betroffene vor Gericht wie kürzlich in Hildesheim. Der Kläger dort wäre als kleiner Ministrant dem gewissenlosen Pfarrer, der ihn mehrfach vergewaltigte, nie zum Opfer gefallen, wenn sein Bischof den Täter, der bereits anderer Übergriffe verdächtigt wurde, nicht im Amt gelassen hätte. Das Opfer hatte vom Bistum Hildesheim insgesamt 50 000 Euro erhalten. Doch in dem gerichtlichen Verfahren ließ das Bistum durch seine Anwälte nunmehr erst die Taten und ihre Folgen anzweifeln sowie die Haftung der Kirche bestreiten. Der Priester habe die Verbrechen ja möglicherweise in seiner Freizeit verübt. Als ultimatives Mittel wurde die Einrede der Verjährung erhoben.
Die Kirche als moralische Instanz? Die Fürsorgepflicht eines Bischofs? Offenbar egal. Richter erklärten, dass sie nicht nach moralischen Maßstäben entscheiden können, sondern an die Buchstaben des Gesetzes gebunden sind. Durch die Instanzen können Jahre vergehen, bis am Ende hoffentlich höchstrichterlich geklärt ist, dass die Verjährungseinrede in diesem Fall einen klaren Verstoß gegen Treu und Glauben darstellt: Die Opfer wurden zu Opfern, weil sie Katholiken waren und die Bischöfe waren für sie verantwortlich. Doch sie entschieden sich, an der Seite der Täter zu stehen. Heute wollen sie für das Versagen ihrer Vorgänger keine Verantwortung übernehmen.
Das Urteil in Köln war nur möglich, weil der dortige Kardinal auf die Einrede der Verjährung verzichtet hatte. Wenn die Mehrheit der Bischöfe kein Einsehen hat, dann ist der Gesetzgeber gefordert. Die Bedingungen, unter denen eine Körperschaft öffentlichen Rechts – wie die Kirchen es sind –, sich auf Verjährung berufen kann, müssen überarbeitet werden! Noch weiter geht der Ansatz, für eine begrenzte Zeit von zwei Jahren die zivilrechtliche Verjährung in Fällen von Kindesmissbrauch auszusetzen, damit die Opfer die Gelegenheit erhalten, Klage gegen die Verantwortlichen zu erheben, die sie nicht geschützt haben. Noch haben es die Bischöfe in der Hand, die Verantwortung für ihre Priester zu übernehmen und auf die Einrede der Verjährung verzichten.
Petition gegen die Einrede der Verjährung in Schmerzensgeldprozessen: Jetzt unterschreiben!