Nach dem Ablauf der Frist für die Meldung als Zeuge im Kirchenrechtsverfahren gegen Peter Riedel warten wir nun auf die Eröffnung des Verfahrens.
Natürlich sind auch weiterhin jederzeit Zeugenmeldungen möglich!

Hier der Link zur Seite des Berliner Kirchengerichts (Konsistorium): http://www.erzbistumberlin.de/wir-sind/konsistorium/

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Der Text der dort veröffentlichten Erklärung:

Zeugenaussagen gesucht bis 31. Juli 2017

Der Priester und ehemalige Jesuitenpater Peter R. wurde von zahlreichen Personen, deren Namen dem Kirchengericht nicht bekannt sind, beschuldigt, sie als Minderjährige in den Jahren von 1970-1988 sexuell missbraucht zu haben.

Das Konsistorium, das kirchliche Gericht im Erzbistum Berlin hat im Namen und im Auftrag der Glaubenskongregation ein Verfahren gegen den Beschuldigten eingeleitet.

Zur Erstellung einer Klageschrift benötigt der kirchliche Anwalt, dem weltlichen Recht vergleichbar, belastbare und zuordbare Aussagen von Zeugen und Betroffenen.

Da es bislang nicht gelungen ist, die vorliegenden anonymisierten Zeugenaussagen konkreten Personen zuzuordnen, sucht das Kirchengericht nach Zeugen, die bereit und in der Lage sind, eine konkrete Aussagen zu machen, bzw. sich eine vorliegende Aussage zuordnen lassen.

Um mit dem Verfahren beginnen zu können, erneuert das Konsistorium seinen Aufruf und bittet mögliche Zeugen sich bis zum 31. Juli 2017 zu melden beim

Konsistorium des Erzbistums Berlin
Chausseestr. 128/129
10115 Berlin
Tel.: (030) 30 67 38-0
Fax: (030) 30 67 38-19
E-Mail: Konsistorium@erzbistumberlin.de

Absolute Vertraulichkeit ist selbstverständlich zugesichert. Das Konsistorium wird auch über den Verlauf des Verfahrens, die handelnden Personen, etc. umfassend Auskunft geben.

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Von Matthias Katsch,
Sprecher ECKIGER TISCH, Betroffener Canisius-Kolleg, Mitglied im Betroffenenrat (Fachgremium beim Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung) und Ständiger Gast in der Aufarbeitungskommission,  zu den Äußerungen von Frau Gloria Fürstin von Thurn und Taxis. 21.07.2017,

http://www.br.de/nachrichten/oberpfalz/inhalt/gloria-von-thurn-und-taxis-missbrauch-regensburg-domspatzen-100.html

 

In dem Oskar gekrönten Spielfilm Spotlight von 2015 wird eine alte Volksweisheit abgewandelt: “if it takes a village to raise a child, it takes a village to abuse one” – “Wenn es ein Dorf braucht, um ein Kind aufzuziehen, dann braucht es auch das Dorf um eines zu missbrauchen.“

Dieser Satz, im Film gemünzt auf Boston, trifft auch auf Regensburg zu.

Die Witwe eines der reichsten Männer Deutschlands und einflussreichste Frau Regensburgs hat das gerade wieder unter Beweis gestellt: Nicht wahrhaben wollen, relativieren, verleugnen, die Opfer zu Tätern machen. So wird man als Gemeinschaft mitschuldig am Leiden von Kindern.

Die 57Jährige betont, in ihrer Jugend seien Schläge ein ganz normales pädagogisches Mittel gewesen, um „mit frechen Kindern, wie ich eines war, fertig zu werden.“ Gloria betonte auch, sie fände es unfair, heutige Maßstäbe auf frühere Dekaden anzuwenden. „Das geht nicht. Die Welt hat sich verändert.“

Das ist falsch. Die Zeiten mögen sich geändert haben. Aber auch schon vor vierzig Jahren war schwere Körperverletzung, Folter, Erniedrigung und sexuelle Gewalt gegen Kinder strafbar. Und es geht auch nicht darum, dass man mit besonders frechen Kinder „fertigwerden“ musste. Hier wird die Schuld an der Gewalttat dem Opfer zugeschoben, so wie man dem vergewaltigten Kind sagen würde, „ja hättest halt nicht so unschuldig geschaut“.

Im Abschlussbericht, der jetzt vorgelegt wurde, geht es nicht um gelegentliche Kopfnüsse oder Ohrfeigen, die noch bis 1980 in Bayern in der Kindererziehung erlaubt waren, sondern um systematische Gewalt gegen Kinder vergleichbar einem Straflager. Die Gewalt bei den Regensburger Domspatzen hatte System. Darum geht es.

Und gegen brutale Vergewaltigungen von Grundschülern helfen auch keine Ermahnungen der Eltern, vor alle wenn man im Internat lebt. Hier waren die Kinder den Tätern Tag und Nacht ausgeliefert, ohne Hoffnung auf Entkommen. Wie kann man über dieses Elend derart gefühllos hinweggehen?

Mit ihren Bemerkungen, mit denen sie wohl ihre Solidarität mit dem Ex-Bischof und Ex-Präfekten der Glaubenskongregation Kardinal Gerhard Ludwig Müller unter Beweis stellen wollte, – auch einer der nicht wahrhaben wollte – hat die Vorzeige-Katholikin sich als empathie- und verständnislos entlarvt.

Der Jesuitenpater Hans Zollner, der selbst aus Regensburg stammt und heute in Rom an der Päpstlichen Universität ein Kinderschutzprojekt für die Weltkirche betreibt, äußerte sich in diesen Tagen nach der Veröffentlichung des Berichts über die Täter. Dies seien Menschen gewesen, „die vor lauter Ehrgeiz, den Chor zu einer Weltinstitution im musikalischen Bereich zu machen, jedes Mittel eingesetzt haben; die eine sadistische Ader hatten“.

Zum Versagen des Umfelds in Regensburg gehört nach seinen Worten: „dass man über Jahre und Jahrzehnte nicht hingeschaut hat.“ Und weiter: „Ich erinnere mich selber, dass in meiner Kindheit zwei meiner Schulkameraden zu den Domspatzen – nicht in die Vorschulen, aber aufs Domgymnasium gegangen waren. Sie erzählten auch mir, dass sie geschlagen worden waren. Diese Dinge wussten wir. Aber heute ist unvorstellbar, dass damals niemand etwas getan hat, um das zu unterbinden. Dass nichts getan wurde, auch nicht von den Eltern, von denen einige davon hätten wissen können, und von der Direktion oder der Kirchenleitung.“

Viele müssen damals etwas mitbekommen haben. Vielen hätten es wissen können.

Wie sieht es heute mit den anderen Honoratioren und Vertretern von Stadt und Gesellschaft in Regensburg aus, die sich im Glanz des weltberühmten Chores gesonnt haben? Wo sind die Solidaritätsadressen für das Leid der Kinder in der Renommiereinrichtung der Stadt, wo sind die Entschuldigungen fürs Nicht-Wahrhaben wollen und Weggucken über viele Jahrzehnte?

Werden wenigstens jetzt die ehemaligen Opfer angemessen gewürdigt, die unter hohem Einsatz und gegen heftigste Widerstände seit mehr als sieben Jahren um die Aufklärung der systematischen Verbrechen an dieser Regensburger Institution gekämpft haben? Wird Ihnen der Verdienstmedaille der Stadt oder des Landes angeboten? Werden sie von den heutigen Eltern dafür gefeiert, dass sie mit ihrem unermüdlichen Einsatz die Kinder in den Einrichtungen in einem der berühmtesten Knabenchöre der Welt sicherer gemacht haben?

Und noch ein Satz zu dem hohen Kunstgenuss, der all das wert war: All die Tränen, das Blut, die Verzweiflung von Kindern über Generationen: Mir wird übel, wenn ich die „engelsgleichen“ Knabenstimmen höre. Denn ich muss zugleich daran denken, wie die Katholische Kirche bis Mitte des 19. Jahrhunderts um der Kunst willen – und um weiterhin Frauen ausschließen zu können – Knaben mit besonders schöner Stimme kastrieren ließ, um den hellen Klang auch nach der Pubertät zu bewahren. Vielleicht ist es an der Zeit, dass man sich auch in Regensburg von der Zeit der reinen Knabenanstalt verabschiedet.

Die Stadt und ihre Bürger, die Katholiken in Regensburg und darüber hinaus schulden den Opfern und ihren Vertretern nicht nur Hilfe und Genugtuung, sondern Dank und Anerkennung. Relativierende Schmähreden von adligen Damen haben sie nicht verdient

Auch das Erzbistum Berlin starte einen neuen Versuch, die Verbrechen des vormaligen Pater Riedel am Berliner Canisius Kolleg mit den Mitteln des Kirchenrechts aufzuklären. Dazu wird ein eigenes Kirchengericht eingesetzt, dass ein „ordentliches Verfahren“ gegen Riedel führen soll.

Hier der Link zur Seite des Berliner Kirchengerichts (Konsistorium): http://www.erzbistumberlin.de/wir-sind/konsistorium/

 

Hier der Text der dort veröffentlichten Erklärung:

„Der Priester und ehemalige Jesuitenpater Peter R. wurde von zahlreichen Personen, deren Namen dem Kirchengericht nicht bekannt sind, beschuldigt, sie als Minderjährige in den Jahren von 1970-1988 sexuell missbraucht zu haben.

Das kirchliche Gericht im Erzbistum Berlin, das sog. Konsistorium, hat im Namen und im Auftrag der Glaubenskongregation ein Verfahren gegen den Beschuldigten eingeleitet.

Zur Erstellung einer Klageschrift benötigt der kirchliche Anwalt, dem weltlichen Recht vergleichbar, belastbare und zuordbare Aussagen von Zeugen und Betroffenen.

Da es bislang nicht gelungen ist, die vorliegenden anonymisierten Zeugenaussagen konkreten Personen zuzuordnen, sucht das Kirchengericht nach Zeugen, die bereit und in der Lage sind, eine konkrete Aussagen zu machen, bzw. sich eine vorliegende Aussage zuordnen lassen.

Wir bitten mögliche Zeugen sich zu melden beim

Konsistorium des Erzbistums Berlin
Chausseestr. 128/129
10115 Berlin
Tel.: (030) 30 67 38-0
Fax: (030) 30 67 38-19
E-Mail: Konsistoriumerzbistumberlin.de

Absolute Vertraulichkeit ist selbstverständlich zugesichert. Das Konsistorium wird auch über den Verlauf des Verfahrens, die handelnden Personen, etc. umfassend Auskunft gegeben.

Weihbischof Domkapitular Dr. Matthias Heinrich leitet als Bischofsvikar und Offizial das Konsistorium.

Für Auskünfte und die Vereinbarung von Beratungsterminen können Interessierte sich gern an das Sekretariat des Konsistoriums wenden.

Im Konsistorium steht außerdem eine Fachstelle „Kirchenrecht“ für Beratung in kirchenrechtlichen Angelegenheiten zur Verfügung. Leiter ist Konsistorialrat Dr. Achim Faber.“

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Auch dieses Vorhaben unterstützen wir. Wir werden uns dazu von einem Anwalt für Kirchenrecht beraten und unterstützen lassen.

Im Bistum Hildesheim hat das Münchner Institut für Praxisforschung und Projektberatung (IPP) jetzt einen Aufruf an Betroffene gestartet, sich zu melden. Konkret geht es um Menschen, die sexualisierte Übergriffe durch den früheren Hildesheimer katholischen Bischof Heinrich Maria Janssen (1907-1988) oder den pensionierten Priester und früheren Jesuitenpater Peter Riedel erlitten haben. Der Aufruf richtet sich auch ausdrücklich an Menschen,  die Kenntnisse über solche Vorfälle haben.

Nach seiner Zeit als Jugendseelsorger und Religionslehrer am Berliner Canisius Kolleg von 1970 bis 1982 war Riedel von seinem Orden nach Göttingen abgeschoben worden, nachdem sich Jugendliche mit Missbrauchsvorwürfen an die Verantwortlichen des Ordens gewandt hatten.  Dennoch arbeitete Riedel in Göttigen von 1982 bis 1989 als Dekanatsjugendseelsorger – bis es auch dort zu Vorwürfen gegen ihn kam und er wiederum versetzt werden musste.

Anschließend war er bis 1997 als Pfarrer in der Gemeinde Guter Hirte in Hildesheim tätig, danach bis 1998 in Sankt Christophorus in Wolfsburg und schließlich bis 2003 in Sankt Maximilian Kolbe in Hannover, wo er schließlich früh pensioniert wurde. Seit dem lebt er im Ruhestand in Berlin.

 

ECKIGER TISCH unterstützt dieses Vorhaben. Wir haben die uns bekannten Fakten dem Institut zur Verfügung gestellt.

 

Hier der Aufruf des IPP: 20170320_HH_Aufruf_WebsiteIPP

Die deutschen Jesuiten haben einen als „Zwischenbericht“ titulierte Übersicht über die ihnen und ihren Beauftragten seit 2010 angezeigten Fälle von sexuellem Missbrauch vorgelegt, der uns einem der beiden Beauftragten des Ordens Marek Spitcok von Brisinki übermittelt wurde.

Hier geht es zu dem Text als PDF zum Download : Zwischenbericht Meldungen – 30.05.2016.

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Dazu passt der Kommentar von Matthias Katsch zur schleppenden Aufarbeitung in der Katholischen Kirche, der von der Tageszeitung taz anlässlich des Leipziger Katholikentages ebenfalls am 30. Mai veröffentlicht wurde – fast auf den Tag sechs Jahre nach dem ersten Treffen am Eckigen Tisch in Berlin:

Ehrliche Reue sieht anders aus