Therapie statt Haft: Unterstützerkreis stellt Gnadengesuch für Missbrauchsbetroffenen Andreas Perr
Ein Missbrauchsbetroffener sitzt als Folge seiner traumabedingten Suchterkrankung im Gefängnis. So können die Langzeitfolgen sexuellen Kindesmissbrauchs aussehen.
Ein Bündnis aus unterstützenden Organisationen – darunter auch Eckiger Tisch – stellt jetzt ein Gnadengesuch an Bayerns Staatsminister Georg Eisenreich und Ministerpräsident Markus Söder. Darin fordern wir die vorzeitige Entlassung des Betroffenen, um eine dringend benötigte stationäre Sucht-, Trauma- und Schmerztherapie antreten zu können.
Andreas Perr wurde mit zehn Jahren durch den Serientäter Pfarrer Peter Hullermann schwer sexuell missbraucht. Das Erlebte prägt bis heute das Leben des Betroffenen: Albträume, Schulabbruch, ein Suizidversuch und eine Suchterkrankung.
Der Täter selbst war es, der Perr als Kind zuerst mit Alkohol versorgte – dieser versuchte damit in den Folgejahren die psychischen Folgen des Missbrauchs zu betäuben und griff schließlich auch zu Drogen. Nach einem schweren Sturz erlitt der Betroffene zudem eine Fußverletzung, die nicht mehr operativ zu behandeln ist und zu chronischen Schmerzen führte. In seiner Verzweiflung ließ Perr sich wiederholt Schmerzmittelrezepte von mehreren Ärzten gleichzeitig ausstellen – eine Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz. Als er zusätzlich ohne Fahrerlaubnis am Steuer erwischt wurde, verhängte das Gericht eine Gesamtstrafe von drei Jahren Haft.
Die bittere Ironie: Während sein Opfer im Gefängnis sitzt, lebt der Täter lebt unbehelligt in Essen. Hullermann war 1985 wegen Kindesmissbrauchs lediglich zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Dies ermöglichte ihm, seine Missbrauchstaten an weiteren Minderjährigen fortzusetzen – unter anderem an Andreas Perr.
Der letzte Verfahrenstermin zu Hullermanns Missbrauchsprozess fand erst Anfang 2024 statt und stellte eine immense Belastung für Perr dar. Diese Retraumatisierung bedeutete für ihn einen erneuten Rückfall in die Sucht, die wiederum schließlich zu seinem Delikt führte.
Das Gnadengesuch soll auch auf das systemische Versagen der Justiz aufmerksam machen, die Täter nicht zur Rechenschaft zieht, Opfer belastet und schließlich für die Folgen des Missbrauchs bestraft.
Durch die Unterstützung der JVA-Suchtberatung und der Initiative Sauerteig wurde die Kostenübernahme für die stationäre Therapie ab Februar 2026 bereits genehmigt – was fehlt, ist ein Gnadenerlass für den Rest der Haftstrafe. Auch das Gericht befürwortet den Ansatz „Therapie statt Haft“, kann aber wegen nicht zurückstellbarer Strafen (z.B. Fahren ohne Führerschein) nicht intervenieren. Andreas Perrs Zukunft liegt in den Georg Eisenreichs und Markus Söders.
Filmpremiere in Solidarität mit Andreas Perr
Im Rahmen der Unterstützungskampagne hat Eckiger Tisch am 9. Dezember seinen neuen Film „Gefangen im Schweigen – Vom Trauma zur Sucht“ vorgestellt.
Wie auch Perrs Geschichte, zeigt die Produktion in einer Reihe von in Interviews mit den Betroffenen Markus Elstner, Christiane Gläser und Timo Ranzenberger die gravierenden Langzeitfolgen sexuellen Missbrauchs. Elstner fiel selbst als Kinder Peter Hullermann zum Opfer.
Die Betroffenen teilen ihre traumatischen Erfahrungen sexueller Gewalt und berichten von den tiefgreifenden Spuren, die das Erlebte in ihren Leben hinterlassen hat.
Ziel des Filmes ist es, das Schweigen über die stigmatisierten Auswirkungen auf Psyche, Privat- und Berufsleben zu durchbrechen und ein gesellschaftliches Verständnis für die komplexen Langzeitfolgen sexualisierter Gewalt zu schaffen. Nur so können die Unterstützungsmöglichkeiten für Betroffene erweitert werden.
Der Film ist ab sofort kostenlos auf YouTube verfügbar.