Stellungnahme zum „Bericht über die Untersuchung zu Vorwürfen Ritueller Gewalt“
Am 9. Oktober 2025 hat das Bistum Münster ein Gutachten zur „Untersuchung zu Vorwürfen Ritueller Gewalt in den Bistümern Münster und Essen sowie dem Erzbistum Köln“ veröffentlicht. Die Ergebnisse dieses Berichts haben bei vielen Betroffenen zurecht für großen Unmut gesorgt. Verschiedene Gremien haben sich dazu zu Wort gemeldet und das Gutachten und die daraus abgeleiteten Schlüsse kritisiert. Hier zum Beispiel die Stellungnahme der Aufarbeitungskommission.
Insbesondere die Darstellung der Ergebnisse des Gutachtens durch die Kirche und Medienberichte suggerieren, dass die Missbrauchstaten nicht stattgefunden haben. Dadurch werden die Aussagen der Betroffenen als nicht glaubwürdig dargestellt. Das Gutachten kommt lediglich zu dem Schluss, dass Netzwerke Ritueller Gewalt aus den Aussagen der Betroffenen nicht erkennen kann. Kurz nach Veröffentlichung wurde aber in mehreren Berichten über das Gutachten geschrieben, dass das Gutachten besagen würde, dass es keine Netzwerke in der katholischen Kirche gäbe, die Missbrauch ermöglich(t)en, begünstig(t)en oder durch systematische Vertuschung deck(t)en. Wir möchten daher betonen, dass kein Zweifel besteht, dass es gute belegt Missbrauchstaten durch die in dem Gutachten erwähnten Priester aber auch durch den Kardinal von Essen Hengsbach gegeben hat.
Bei der Entstehung des Gutachtens zeigen sich unseres Erachtens methodisch und inhaltlich problematische Aspekte. Eine der beteiligten Psychologinnen hat bereits in der Vergangenheit die Position vertreten, dass Rituelle Gewalt grundsätzlich in der angegeben Form nicht real existiere. Aus methodischer Sicht folgt das Gutachten einer zirkulären Logik: Die Grundannahme, dass bestimmte Formen ritueller Gewalt nicht existieren, wird durch die Auswahl der Gutachter und ihre Vorannahmen bestätigt. Dies entspricht daher nicht den Standards einer ergebnisoffenen wissenschaftlichen Untersuchung.
Daher ist aus Sicht von Eckiger Tisch das Gutachten in seiner Entstehung, seiner methodischen Durchführung und seinen Schlüssen aus vielen Perspektiven äußerst kritisch zu betrachten. Unsere Solidarität gilt den Betroffenen, die in den Bistümern sexuellen Missbrauch als Kind oder Jugendliche erlitten haben. Das Gutachten darf nicht den Fehlschluss nach sich ziehen, dass kein Missbrauch durch kirchliche Amtsträger stattgefunden hat. Die Aussagen des Gutachtens stellen die Taten als Teil von Rituellem Missbrauch in Frage, aber nicht die Missbrauchstaten an sich.
Diskreditierung der Betroffenen durch das Gutachten
Diese fehlerhafte Interpretation des Gutachtens führt dazu, dass Betroffene durch die Kirche unter Generalverdacht gestellt werden könnten nicht wahrheitsgemäß auszusagen und diskreditiert damit Betroffene. Keineswegs darf auf Grund dieses fragwürdigen Gutachtens die Glaubwürdigkeit von Betroffenen in Frage gestellt werden.
Wir befürchten, dass durch das Gutachten die Glaubwürdigkeit von Betroffenen dadurch zunehmend angezweifelt werden könnte. Desto wichtiger ist es jetzt zu betonen, dass es essenziell für Betroffene ist, dass im Verfahren der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen eine Plausibilitätsprüfung durchgeführt wird und es darf nicht auf Grund dieses Gutachtens zu fälschlichen Schlussfolgerungen kommen, sodass auch in dem UKA-Verfahren die Glaubwürdigkeit begutachtet wird. Dies würde alle Betroffenen unter Generalverdacht stellen und darf keineswegs eine Folge dieses Gutachtens sein.
Eins ist klar: Der Schutz aller Betroffener muss höchste Priorität haben. Betroffene litten und leiden bis heute unter den Taten und dessen Folgen bis heute. Diese Taten geschahen im Einflussbereich der katholischen Kirche und diese trägt die Verantwortung.
Anstatt zur Klärung beizutragen, schafft das Gutachten neue Verwirrung und lenkt von den eigentlichen Aufgaben ab: der angemessenen Entschädigung der Betroffenen, der vollständigen Aufarbeitung der Taten und der Entwicklung wirksamer Präventionsmaßnahmen. Das Vertrauen in die kirchlichen Aufarbeitungsbemühungen wird durch solche Vorgehensweisen nicht gestärkt, sondern weiter untergraben.
Weitere Stellungnahmen von zu dem Gutachten:
Betroffeneninitiative Niederbayern: Stellungnahme zum „Gutachten“ über organisierte sexualisierte Gewalt im kirchlichen Kontext durch die Kanzlei Feigen Graf zu den katholischen Bistümern Münster, Essen, Paderborn, Hildesheim und Köln
Karl Heinz Heiss: Untersuchung: Keine Belege für rituelle Gewalt in Bistümern