Sieben Jahre MHG-Studie – Eine Bestandsaufnahme
Sieben Jahre nach der Veröffentlichung der MHG-Studie zeigt sich: Zentrale Empfehlungen wurden von der katholischen Kirche nicht umgesetzt, der langwierige Prozess der Aufarbeitung der Missbrauchstaten ist schleppend und Betroffene warten weiterhin auf ein angemessenes, transparentes und unabhängiges System für Entschädigungszahlungen.
Heute vor sieben Jahren, am 25. September 2018, wurde die sogenannte MHG-Studie veröffentlicht. Sie war das Ergebnis eines Forschungsprojekts der Universitäten Mannheim, Heidelberg und Gießen zum sexuellen Missbrauch an Minderjährigen durch Kleriker der katholischen Kirche im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz (DBK).
Die Studie erschütterte die katholische Kirche erneut nach Beginn des katholischen Missbrauchsskandals 2010 und stellte unmissverständlich klar: Sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche ist kein Problem von Einzelfällen, sondern strukturell und systemisch bedingt.
Doch auch sieben Jahre später ist festzuhalten: Viele der Empfehlungen der Studie sind bis heute nicht umgesetzt, die Aufarbeitung ist unvollständig, und eine angemessene Entschädigung bleibt zahlreichen Betroffenen weiterhin verwehrt.
Zentrale Befunde der MHG-Studie
Die Forschenden werteten über 38.000 Personal- und Handakten aus den Jahren 1946 bis 2014 aus. Da den Forschenden kein direkter Aktenzugang von der Kirche aus gewährt wurde, basiert ihre Erhebung auf anonymisierten Fragebögen, die von kirchlichen Mitarbeitenden bei der Durchsicht von Akten ausgefüllt wurden. Bei etwa 5 % der Kleriker fanden sich Hinweise auf sexuellen Kindesmissbrauch. 3.677 Betroffene, Kinder und Jugendliche, wurden Opfer von sexualisierter Gewalt.
Die Untersuchung zeigte, dass die Machtstrukturen der Kirche, die katholische Sexualmoral, die Haltung der Kirche zur Homosexualität, die Rolle der Frauen sowie das Beichtgeheimnis, strukturelle Faktoren der Kirche sind, die sexuellen Missbrauch in der Kirche systematisch begünstigen und die Aufklärung erschweren.
Kritik am kirchlichen System zur „Anerkennung des Leids“
Ein wichtiger Teil der MHG-Studie war die Untersuchung des damaligen kirchlichen Systems für Anerkennungsleistungen, der Zentralen Koordinierungsstelle (ZKS), das Zahlungen „in Anerkennung des Leids“ vorsah.
Dabei stelle die MHG-Studie folgende Kritikpunkte des Systems fest:
– fehlende Nachvollziehbarkeit der Kriterien, wie hoch Leistungen ausfallen,
– stark unterschiedliche Auszahlungshöhen je nach Diözese,
– keine Einheitlichkeit, Transparenz und Vergleichbarkeit des Verfahrens,
– Interessenkonflikte bei Ansprechpersonen, die eng in kirchliche Verwaltungsstrukturen eingebunden waren,
– Zweifel an der Niedrigschwelligkeit des Zugangs.
Die MHG-Studie forderte daher dringend eine Reform, die Transparenz, Einheitlichkeit und Betroffenenorientierung sicherstellt.
Eckiger Tisch fordert mit dem Positionspapier „Ausgleichende Gerechtigkeit“ eine Verbesserung des Systems der Anerkennungsleistungen
Die Einrichtung der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) im Jahr 2021 war zwar ein erster Schritt in Richtung Vereinheitlichung, blieb aber der einzige zentrale Punkt, der aus den Empfehlungen der MHG-Studie umgesetzt wurde. Viele der damaligen Kritikpunkte zum Verfahren für Anerkennungsleitungen gelten weiterhin: lange Wartezeiten, unzureichende Summen, fehlende Transparenz und eine anhaltende Nähe zur DBK. Auch viele der 2019 vorgestellten Empfehlungen, der von der DBK beauftragten Unabhängigen interdisziplinären Arbeitsgruppe zur „Weiterentwicklung des Verfahrens zur Anerkennung des Leids“, wurden in dem Verfahren der UKA nicht implementiert.
Eckiger Tisch hat das aktuelle Verfahren der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) im Positionspapier „Ausgleichende Gerechtigkeit“ umfassend analysiert und dargelegt. Grundlage waren Gespräche mit Betroffenen, Expert*innenundBerater*innen. Die Analyse zeigt: Das UKA-Verfahren ist für Betroffene in seiner jetzigen Form unzureichend.
Daher fordert Eckiger Tisch:
– Prozessunterstützung für Betroffene durch finanzierte Beratung und Begleitung,
– Direkte Antragstellung bei der UKA statt über die Bistümer,
– Transparenz bei Entscheidungen und Akteneinsicht,
– Mehr Ressourcen und schnellere Verfahren,
– Persönliches Gehör für Betroffene,
– Unabhängigkeit der UKA von der DBK.
Sieben Jahre nach Veröffentlichung der MHG-Studie bleibt festzuhalten: Die katholische Kirche hat zentrale Empfehlungen zur Aufarbeitung und Entschädigung nicht umgesetzt. Die Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA)konnte die strukturellen Probleme nicht beseitigen, die bereits das ZKS geprägt hatten. Deshalb fordern wir mit unserem Positionspapier „Ausgleichende Gerechtigkeit“ eine grundlegende Verbesserung des kirchlichen Anerkennungssystems.
Betroffene brauchen endlich eine angemessene und transparente Entschädigung und eine echte Aufarbeitung der Missbrauchstaten in der katholischen Kirche.
Weitere Informationen zur MHG-Studie: