Statement zum Rücktritt von Kardinal Marx

Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising, hat dem Papst seinen Rücktritt angeboten. Er wolle Verantwortung übernehmen für die Fälle sexuellen Missbrauchs innerhalb der Katholischen Kirche und deren schleppende Aufarbeitung. Matthias Katsch, Mitbegründer der Betroffenen-Initiative „Eckiger Tisch“, bekundet seinen Respekt für diesen Schritt und nimmt wie folgt dazu Stellung:

Der Rücktritt von Kardinal Marx ist ein starkes Signal, das auch Respekt abnötigt. Wir haben immer darauf hingewiesen, dass es bei der Missbrauchskrise der Katholischen Krise nicht um eine Anzahl von Einzelfällen geht, sondern dass es sich um ein Systemversagen handelt. Kardinal Marx hat als Führungskraft in diesem System jetzt für sich persönlich entschieden, Verantwortung zu übernehmen. Das ist ein beispielgebender Akt, wie ihn Betroffene seit langem gefordert haben.

Ich habe Marx auch als einen Geistlichen erlebt, der bereit gewesen ist, zuzuhören. Dem Kardinal ist offensichtlich klar geworden, dass man nur durch eine Übernahme von Verantwortung einen Neuanfang machen kann. Marx hat nun verstanden, dass diejenigen, die den Karren in den Dreck gezogen haben, ihn nicht zugleich wieder herausziehen können. Die Kardinäle und Bischöfe sind diejenigen, die die Kirche weltweit in diese Krise hineingeführt haben, und deswegen ist es richtig, dass einer von ihnen jetzt auch persönlich Verantwortung dafür übernimmt, jenseits der Frage, welche Pflichtverletzungen ihm selbst in Untersuchungen, die ja noch anstehen, vorgeworfen werden. Kardinal Marx hat mit seinem Brief an den Papst und auch mit seinen Stellungnahmen dazu am Freitag deutlich gemacht, dass er die politische Verantwortung für die Ereignisse zu übernehmen bereit ist.

Die verschiedenen Aufarbeitungsbemühungen der Kirche allein sind nicht mehr zielführend. Marx selbst hat eingeräumt, dass die Katholische Kirche damit an einen „toten Punkt“ gelangt ist. Deshalb ist jetzt der richtige Moment für einen Neuanfang. Wenn jemand in so herausgehobener Stellung einen solchen Schritt wagt, dann zeigt das, dass die Kirche mit ihrem Latein am Ende ist.

Ich hoffe sehr, dass die Politik diesen Hilferuf der Kirche jetzt auch hört. Es muss eine Wahrheitskommission geben, es muss Aufklärung von außen durch unabhängige Ermittler geben. Was fehlt, ist eine kirchenunabhängige Institution, der Betroffene vertrauen können, wenn sie sich an diesen Prozessen beteiligen wollen. Die Politik ist jetzt aufgefordert, der Kirche an dieser Stelle zur Seite zu springen. Ich erwarte, dass das Parlament jetzt eine Kommission einsetzt, die diesen Aufarbeitungsprozess in Deutschland maßgeblich steuert.

 

4. Juni 2021

Matthias Katsch

Geschäftsführer und Sprecher Eckiger Tisch