Leserbrief zum Nachruf auf Pfarrer i.R. Fritz Ullmer (Bistum Freiburg)
Sehr geehrte Damen und Herren des Betroffenenrates der Erzdiözese Freiburg,
sehr geehrte Damen und Herren des Eckigen Tischs,
in der Ausgabe des Konradsblatts Nr. 19 vom 8.5.2022 wurde auf S. 34 der Nachruf von Pfarrer Fritz Ullmer veröffentlicht. In diesem Nachruf wurden die sehr großen Verdienste von Pfarrer Ullmer herausgehoben. In einem Nebensatz gab es folgenden Hinweis: „Ein großer Schatten legte sich auf sein Lebenswerk, da Pfarrer Ullmer in den 1970er Jahren einen Jugendlichen unsittlich berührt hatte. 2010 wurde er dafür zur Verantwortung gezogen.“ Im darauf folgenden Satz war zu lesen: „Als Pfarrer mit einem großen seelsorgerlichen Charisma hat Fritz Ullmer bei vielen Menschen tiefe Spuren hinterlassen und Wesentliches für den inneren Aufbau der Gemeinden geleistet. Im Anhang finden Sie den kompletten Nachruf.
Mich hat dieser Nachruf betroffen gemacht und den folgenden Leserbrief an die Redaktion des Konradsblatts geschickt:
„Leserbrief zum Nachruf von Pfarrer i.R. Fritz Ullmer im Konradsblatt Nr. 19 S. 34
„Tiefe Spuren hinterlassen“
Im Nachruf für Pfarrer i.R. Fritz Ulmer beschreibt Dekan Czech sehr ausführlich die Verdienste des Priesters. Gegen Ende des langen Artikels wird – in einem Satz – sein sexueller Missbrauch in den 1970-er Jahren benannt, um gleich darauf mit den Worten zu schließen: „Als Pfarrer mit einem großen seelsorgerlichen Charisma hat Fritz Ullmer bei vielen Menschen tiefe Spuren hinterlassen.“
Es ist gut möglich, dass Pfarrer i.R. Ulmer für viele Menschen ein wichtiger Seelsorger war. Jedoch stellt sich mir die Frage: Wie mag es dem Opfer seines Missbrauchs und den vielen anderen Opfern sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche ergehen, wenn die positive Seite so sehr herausgehoben wird. Jeder Missbrauch hinterlässt tiefe Spuren in den Seelen der Betroffenen, die nie wieder heilen. Ich wünschte mir, dass Herr Dekan Czech und die Redaktion des Konradsblatts die Opfer mehr im Blick haben. Bernd Kittel, Diakon Ettlingen“
Letzte Woche erhielt ich vom Redakteur des Konradsblatts, Herrn Michael Winter per Mail die folgende Antwort.
„Sehr geehrter Herr Kittel,
in diesem Fall ist es wohl nicht möglich, alles richtig zu machen.
Wir schreiben im Fall des Todes eines Priesters oder Diakons mit einem Standardbrief jeweils den Dekan an, in dessen Dekanat der Verstorbene zuletzt gewohnt hat. So auch bei Fritz Ullmer. Zuständig war Dekan Alexander Czech. Noch bevor wir von ihm den Nachruf erhalten hatten, gab es bei uns zwei Telefonanrufe: ein Leser forderte mit Nachdruck, in dem Nachruf deutlich auf den damaligen Missbrauch einzugehen. Ein anderer mahnte uns, in dem Nachruf bloß nicht schon wieder diesen Missbrauch zu erwähnen. Fritz Ullmer sei ein so toller Priester und Seelsorger gewesen. Ich habe mit Dekan Czech telefoniert und wir waren uns einig, dass ein Hinweis auf die Tat auf keinen Fall fehlen darf, aber auch nicht mehr im Vordergrund stehen muss, sondern eingebunden sein kann in die anderen Aspekte. Nach Veröffentlichung des Textes gab es wieder genau zwei Reaktionen: Ihren Leserbrief und den Anruf einer Frau, die überhaupt kein Verständnis dafür hatte, dass in diesem Nachruf jetzt noch einmal auf diesem Missbrauch vor rund 50 Jahren „herumgeritten“ werde. Pfarrer Ullmer sei ein so guter Pfarrer gewesen.
Auch auf diesem Hintergrund bitte ich Sie um Verständnis dafür, dass wir uns entschlossen haben, diese Sache jetzt auf sich beruhen zu lassen und auch Ihren Leserbrief nicht veröffentlichen. Dies hat nichts damit zu tun, dass wir die Opfer nicht im Blick hätten. Wir haben aber den Eindruck, dass im Fall Ullmer eine zu erwartende Auseinandersetzung auf der Leserbriefseite nicht weiterführen würde.
Mit freundlichen Grüßen Michael Winter“. Fon: +49 (0) 721 – 9545-202 Mail: winter@konradsblatt.de “
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Die Redaktion des Konradsblatts hat entschieden, meinen Leserbrief nicht zu veröffentlichen. Ich war der Einzige, der auf diesen Nachruf reagiert hat. Eine zu erwartende Auseinandersetzung auf der Leserbriefseite würde nicht weiterführen.
Seit 27 Jahren arbeite ich gerne als hauptamtlicher Mitarbeiter in der katholischen Kirche. Mich macht es allerdings sehr betroffen, wie meine Kirche immer noch mit Betroffenen des sexuellen Missbrauchs umgeht. In der Antwort der Redaktion des Konradsblatts sehe ich ähnliche Handlungsstrukturen. Wir reden einfach nicht mehr darüber, es ist ja schon so lange her.
Mir ist es heute wichtig, dass Sie als Mitglieder des Betroffenenrats der Erzdiözese Freiburg und des Eckigen Tischs den Inhalt meines Leserbriefs kennen und gegebenenfalls mit der Redaktion des Konradsblatts in Kontakt treten können. Falls Sie dies tun, bitte ich Sie, mich darüber zu informieren.
Ich danke Ihnen, dass Sie sich mit Ihrem großen Engagement für die Betroffenen des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche einsetzen.
Mit freundlichen Grüßen Bernd Kittel, Diakon