Kirche lehnt Entschädigung ab – die Verantwortung ist sie aber damit nicht los

Immerhin haben wir jetzt Klarheit. Die Kirche in Deutschland ist nicht bereit für ihre Verbrechen die Verantwortung zu übernehmen und ihren Opfern eine Entschädigung anzubieten. Sie will lediglich Anerkennungsleistungen zahlen und orientiert sich dabei an den Tätern, die missbrauchten. Das zweite Verbrechen des Versetzens, Vertuschens und Verschweigens, das von der Institution begangen wurde, will sie nicht wahrhaben. Was für ein Versagen! Was für eine verpasste Chance!

Wieder einmal wird deutlich, dass man immer nur so viel einräumt, wie ohnehin nicht mehr geleugnet werden kann, und es wird nur getan, wozu man durch die Opfer und ihre Verbündeten in der Öffentlichkeit gezwungen wird. Dabei hätte es die Möglichkeit gegeben, zum ersten Mal das Minimum des rechtlich Gebotenen zu überbieten. Das im Herbst den Bischöfen vorgelegte Empfehlungspapier war davon geprägt, die Folgen im Leben der Opfer auszugleichen und über das hinauszugehen, was bislang in staatlichen Verfahren üblich ist.

Was übersehen wird: In einem staatlichen Verfahren steht ein einzelner Täter mit seinen Verbrechen im Fokus. Es wird keine verbrecherische Struktur einer Kirche angeklagt und dies fließt auch nicht in die Würdigung mit ein. Die Schmerzensgelder, die in Deutschland gerichtlich durchgesetzt werden können, sind oft erbärmlich gering. Im Gegensatz zu Prinzessinnen mit ihren Persönlichkeitsrechtsverletzungen haben arme Menschen praktisch keine Möglichkeit, ihre Verletzungen vorzutragen und angemessen Gehör zu finden. Auf dieses Minimum des gerichtlich Durchsetzbaren möchte sich die Kirche gerne beschränken. Und merkt nicht, wie klein sie sich damit macht.

Sie beweist damit, dass die Worte ihres Heilands und Erlösers für sie nur Schall und Rauch sind: „Und wenn dich jemand eine Meile weit zu gehen nötigt, so gehe mit ihm zwei. Gib dem, der dich bittet, und wende dich nicht ab von dem, der von dir borgen will.“ (Matthäus 5, 41-42).

Das muss auch Konsequenzen für die Katholikinnen und Katholiken haben. Wollen sie auch weiterhin eine Kirchenstruktur unterstützen mit ihren Beiträgen, die so offensichtlich am Geld klebt und ihre Opfer missachtet? Wollen sie auch weiterhin für das moralische Versagen ihrer Hirten in Mithaftung genommen werden? Denn das sollte jeder und jedem klar sein: Es gibt jetzt keine Ausrede mehr, man habe davon ja nichts gewusst! Jetzt ist offenbar, wie die Kirche in Deutschland tickt: Leugnen solange es geht, verschleppen und dann das Minimum tun; dabei kein Schuldbewusstsein und warme Worte für die Opfer statt großzügiger Unterstützung.

Auch der Staat wird sein Verhältnis zur Kirche klären müssen. Wollen wir einer solchen Institution auch weiterhin Kinder und Jugendliche anvertrauen? Und wir brauchen endlich ein Unternehmensstrafrecht, das verbrecherische Strukturen bestraft und die rechtliche Durchsetzung angemessene Entschädigungen aus Opfersicht ermöglicht.

Wir werden uns jetzt schütteln und neu aufstellen müssen. Wir werden weiter für eine tatsächliche Entschädigung kämpfen. Und wir werden nicht mehr so leicht auf die Worte hereinfallen, die Einsicht und Empathie signalisieren sollen und letztlich doch nur hartherzig am Gelde kleben.

Zugleich werden wir die Opfer ermutigen, die Anerkennungszahlungen zu beantragen und werden dabei als Verein Beratung und Unterstützung anbieten.

Matthias Katsch
Sprecher Eckiger Tisch

5. März 2020

Download dieser Pressemitteilung vom 5. März 2020

 

Dieser Text bezieht sich auf die Pressemitteilung der Deutschen Bischofskonferenz vom 5. März 2020 („Weiterentwicklung des Verfahrens zur Anerkennung des Leids“). Man kann sich die Mitteilungen, die Bischof Ackermann am 5. März 2020 vor de Presse gemacht hat, hier im Wortlaut anhören.

Als Bischof Ackermann am 25. September 2019 zusammen mit Matthias Katsch in Fulda vor die Presse trat, hörte sich das noch ganz anders an.