Fachtagung diskutiert Erinnerungsarbeit an sexuellen Missbrauch in der Kirche

Kann man an Verbrechen erinnern, die noch nicht vollständig aufgearbeitet sind?

Um sich mit dieser und weiteren Fragen rund um die Erinnerungsarbeit auseinanderzusetzen, fand vergangene Woche vom 26.06.-27.06.2024 die Fachtagung zum Thema „Wie an den sexuellen Missbrauch in der Kirche und Gesellschaft erinnern?“ in Mühlheim an der Ruhe statt. Verschiedene Expert*innen und Betroffene haben sich vor Ort ausgetauscht und diskutiert, wie an sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche künftig erinnert werden soll. Im Fokus stand dabei immer wieder der Zeitpunkt der Erinnerungsarbeit, aber auch mögliche Methoden. Viel Inspiration wurde dabei aus der Erinnerungsarbeit an den Nationalsozialismus gezogen.

Verschiedene Expert*innen legten in ihren Vorträge aktuelle Bestandaufnahmen, Thesen und Hürden einer Erinnerungskultur, sowie Erfahrungen aus Gedenkstättenarbeit oder künstlerische Ansätze zur Auseinandersetzung mit sexuellen Missbrauch dar.

Neben informativen Vorträgen von Expert*innen fand auch eine Podiumsdiskussion mit Betroffenen statt. Diese widmete sich der Frage: „Was muss eine Erinnerungskultur aus der Sicht der Betroffenen leisten?“
Martin Schmitz, Vorstandsvorsitzender Eckiger Tisch, war mit weiteren Betroffenen Teil dieses Podiums. Während einige Stimmen die Relevanz von Erinnerungskultur hervorstellten, weil im öffentlichen Diskurs das Interesse an dem Thema sinkt, betonte Martin Schmitz die Relevanz einer vollständigen Aufarbeitung, bevor wir die Erinnerungskultur stärken können. Mit dem folgenden Zitat von Theodor Adorno: „Aufgearbeitet wäre die Vergangenheit erst dann, wenn die Ursachen des Vergangen beseitigt wären.“ 1, hat Martin Schmitz sich dafür positioniert, dass wir zuerst eine vollständige Aufarbeitung erwirken müssen, um eine gute Erinnerungsarbeit gewährleisten zu können. Da dies innerhalb der katholischen Kirche noch nicht erfolgt ist und einige Fragen, wie die Entschädigung der Betroffenen durch die Kirche, ungeklärt sind, könnte eine frühzeitige Erinnerungskultur die Aufarbeitung behindern.

Zum Abschluss haben die Teilnehmenden mit einem Austausch in Kleingruppen und einem Podium mit den Expert*innen, die Tagung gemeinsam ausklingen lassen.

1 Adorno, Theodor W. „Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit.“ Gesammelte Schriften 10, no. 2 (1959): 555-572.