ECKIGER TISCH begrüßt Ermittlungen und fordert Gerechtigkeits- und Wahrheitskommission, Anzeige aller bekannten Täter sowie Entschädigung der Betroffenen
Wir begrüßen, dass Staatsanwaltschaften in Deutschland Ermittlungen wegen sexuellen Kindesmissbrauchs aufgenommen haben, nachdem eine Gruppe von Strafrechtlern im Gebiet aller 27 deutschen Diözesen Anzeige gegen Unbekannt erstattet hat.
Gerechtigkeits- und Wahrheitskommission
Viele Fälle aus der Vergangenheit entziehen sich jedoch einer staatsanwaltlichen Ermittlung, etwa wenn nach Vorermittlungen feststeht, dass der Täter verstorben oder die Tat bereits verjährt ist. Das dürfte für die Mehrzahl der in der MHG-Studie der Deutschen Bischofskonferenz erwähnten 3.677 Fälle gelten.
Deshalb erneuern wir unsere Forderung zur Einrichtung einer Gerechtigkeits- und Wahrheitskommission. Diese Kommission muss unabhängig sein, in staatlichem Auftrag ermitteln, Zeugen anhören und alle relevanten Archive und Akten auswerten. Eine unabhängige Aufarbeitung muss Namen, Fakten, Orte etc. konkret benennen, um Täterstrategien, Netzwerke, Muster aufzeigen zu können und Täter zu stoppen.
Anzeige aller bekannten Täter
Weiterhin fordern wir, dass alle 27 Bistümer und die zahlreichen Ordensgemeinschaften alle ihnen bekannten Missbrauchsfälle, bei denen die Täter noch leben, bei der Staatsanwaltschaft anzeigen. Es ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft, eine Verjährung bzw. einen weiteren Ermittlungsbedarf festzustellen, nicht aber die Aufgabe der Institution, bei der der Täter angestellt ist. Wie das aktuelle Beispiel zeigt [1], kann ein Täter, der in der Vergangenheit wegen Taten beschuldigt wird, die bereits verjährt sind, in der Folge durchaus nicht verjährte Taten begangen haben.
Entschädigung der Betroffenen
Außerdem fordern wir Gespräche darüber, wie eine angemessene Entschädigung für die Betroffenen sexuellen Missbrauchs durch katholische Geistliche aussehen kann.
Zu der von der katholischen Kirche angekündigten Einführung eines „Gedenktages“ für Betroffene sexuellen Missbrauchs verweisen wir auf die oben genannten Forderungen nach Aufarbeitung, Hilfe und Entschädigung.
Gedenken, Entschuldigungen oder „Buße“ allein genügen nicht. Wenn die Kirche mit der Unterstützung des vom Europarat ins Leben gerufenen Aktionstages (18. November) ihre eigenen Bemühungen um Prävention intensivieren will, dann begrüßen wir dies. Es ist jedoch nicht angemessen, des Missbrauchs in der katholischen Kirche rückblickend wie eines historischen Ereignisses zu gedenken. Auch heute sind Kinder in Gefahr. Und die Opfer der Vergangenheit warten immer noch auf Wahrheit und Gerechtigkeit. Dazu gehört auch eine angemessene Entschädigung.
[1] ARD-Reportage „Meine Täter, die Priester“ vom 15.10.2018 (www.youtube.com/watch?v=X9Mz04dQKdw) über den Priester Peter Riedel, der 2010 im Mittelpunkt des Missbrauchsskandals am Berliner Canisius-Kolleg stand und in den folgenden Jahrzehnten bis in die jüngste Vergangenheit weiterer Übergriffe beschuldigt wird.