Auf die lange Bank geschoben
In einer detaillierten Analyse hat sich die Frankfurter Allgemeine Zeitung mit dem System der „Anerkennungszahlungen“ der katholischen Kirche beschäftigt: <https://www.faz.net/-hf2-ai4w9>
Deutlich wird, wie willkürlich und intransparent diese „freiwilligen“ Leistungen seit 2010 bis heute bewillig werden. Dies hatte auch die MHG-Studie von 2018 bereits beklagt. Die Verteilung der Antragstellungen, die Bewilligung und die Höhe der geleisteten Beträge weichen in den 27 Bistümern deutlich von einander ab: Willkür pur, bis heute. Im Schnitt lagen diese Zahlungen zwischen 2010 und 2020 bei 5900 €.
Demgegenüber hatte die auf Wunsch der Bischöfe eingesetzte unabhängige Arbeitsgruppe im Herbst 2019 echte Entschädigungen in der Größenordnung von 40.000 bis 400.000 €, bzw. pauschale Beträge von 300.000 € vorgeschlagen. Berücksichtigt werden sollte nicht nur die Schwere und Dauer der an den Betroffenen verübten Verbrechen, sondern die Folgen in der Biographie der Opfer in den darauffolgenden Jahrzehnten, in denen die Kirche alles tat, um eine Aufdeckung zu verhindern.
Ein breites Bündnis aus Laienkatholiken und Bistumsvertretern verhinderte eine Annäherung bei der Höhe der Entschädigungen und wischte das vorgeschlagene Verfahren und den gewählten Ansatz beiseite, als ob es die Empfehlungen der Experten und Expertinnen nie gegeben hätte. Stattdessen ließen die Bischöfe von unbekannten Anwälten ein neues „Anerkennungsverfahren“ erarbeiten, das seit dem 1.1.2020 gilt und in den Worten von Bischöf Bätzing sich an den Schmerzensgeldern von staatlichen Gerichten bis zu 50.000 € orientieren soll – und zwar auch noch an der oberen Grenze, wie er nicht müde wurde zu erklären.
Bis heute wurden 468 Anträge bewilligt. Die „Anerkennung“ beträgt demnach im Schnitt 15.000 €. Unklar ist heute wie schon in der Vergangenheit, wie möglicherweise einzelene extrem hohe Zahlungen das Bild verfälschen. Beim Eckigen Tisch wie anderen Betroffeneninitiativen melden sich viele Betroffene mit neuen Anerkennungssummen von wenigen tausend Euro. Liegt es am Verfahren? Liegt es an der Tabelle? Man weiß es nicht. Die Intransparenz und Willkür dauert an. Sie hat bei der katholischen Kirche Methode.
Offenbar kalkuliert die Kirche, dass für ihre Opfer die kunstvoll aufgerichteten juristischen Hürden für zivilrechtliche Auseinandersetzungen letztlich zu hoch sein werden, so das niemand ihre Behauptung, man orientiere sich an Gerichtsentscheidungen bei der Höhe der Leistungen, überprüfen kann. Denn es gibt keine solchen Urteile. Kein einziges ist bekannt, bei der Schmerzensgeld oder Wiedergutmachung aufgrund eines kirchlichen Missbrauchsfalls festgesetzt und die schuldhafte Vertuschung von Taten und der fahrlässige Schut von Tätern überhaupt zur Sprache gekommen wäre. Denn es ist immer alles schon verjährt: Die Verbrechen der Täter wie die ihrer Vorgesetzten. Und die Kirche denkt gar nicht daran, auf dieses Schutzschild zu verzichten. Die grundgesetzlich eigentlich gegebene Amtshaftung der Kirche für ihre wie Beamte operierenden Priester greift also nicht, weil es zu keinen Verfahren und Urteilen kommt. Das Trauerspiel geht weiter.